Es ist ein geflügeltes Wort: „Wenn der Platz nicht reicht, müssen wir eben anbauen!“. Was so ein Anbau in der Praxis tatsächlich kosten kann und wann sich das überhaupt lohnt, erklärt ausführlich der Kostencheck-Experte im Interview.
Frage: Wo liegen die Vor- und Nachteile bei einem Anbau ans bestehende Haus?
Kostencheck-Experte: In der Praxis muss man sich hier gut überlegen, was man tut – und ob man tatsächlich einen Anbau errichten will.
Einer der wesentlichen Vorteile eines Anbaus ist natürlich, dass man einen ebenerdig gelegenen weiteren Gebäudeteil schafft. Eine solche Erweiterung ist gut völlig barrierefrei zu gestalten – etwa wenn man noch zusätzlich die eigenen Eltern im höheren Lebensalter im Haus unterbringen möchte oder selber in den Anbau zieht, um den Kindern das Haus zu überlassen.
Demgegenüber wiegen die Nachteile allerdings recht schwer: in vielen Fällen ist es nur unter Schwierigkeiten möglich, überhaupt einen Anbau zu errichten.
Einschränkungen können dabei von ganz unterschiedlichen Seiten kommen:
- von der Landesbauordnung
- vom geltenden Bebauungsplan der jeweiligen Kommune
- von den Grundstücksgrenzen (und den geltenden vorgeschriebenen Grenzabständen)
- von der Zustimmung der Nachbarn zum geplanten Bau
Hierin liegen schon in vielen Fällen große Hürden, die vieles unmöglich machen – und den Bau am Ende unter Umständen ganz anders aussehen lassen, als man eigentlich geplant hat.
Gerade bei den Grenzabständen gibt es oft Probleme – in manchen Fällen muss man einen ganz schönen Abstand zu den Grundstücksgrenzen einhalten. Wie groß dieser Abstand sein muss, ist dabei von Fall zu Fall ganz unterschiedlich. Maßgeblich sind hier:
- das Bundesland, in dem das Haus steht
- die Lage des Grundstücks (Randlage oder Kernlage in einer Siedlung)
- die Haushöhe
- der Bebauungsplan für das jeweilige Gebiet
Das muss man zunächst einmal verbindlich in Erfahrung bringen, bevor man mit seinen Überlegungen fortfahren kann. Im Zweifelsfall weiß natürlich auch der Architekt, was zulässig ist und was nicht.
Mit den Nachbarn ist es ebenso oft so eine Sache: sie müssen natürlich mit der geplanten Erweiterung einverstanden sein und dürfen keine Einwände dagegen haben. In einigen Bundesländern müssen sie wegen der dort geltenden Nachbarrechtsvorschriften sogar ausdrücklich und schriftlich ihre Zustimmung geben, bevor überhaupt eine Baugenehmigung erteilt werden kann.
Der am schwersten wiegende Nachteil bei einem Haus-Anbau sind allerdings immer die Kosten. Das wird in der Praxis häufig unterschätzt.
Kostenmäßig kann sich ein Anbau aber auf keinen Fall mit einem Dachgeschossausbau oder mit einer Bewohnbarmachung des Kellers messen. Beides ist in der Praxis erheblich kostengünstiger – und bringt zudem dabei auch noch deutlich mehr Nutzfläche als die meisten Erweiterungsanbauten.
Frage: Was kostet ein Anbau an ein Einfamilien-Haus in der Regel?
Kostencheck-Experte: Pauschal ist das natürlich unmöglich zu sagen – das hängt immer von der Art des Anbaus, seiner Größe und den örtlichen Gegebenheiten ab.
Sieht man sich aber die Mindestkosten für ein solches Vorhaben an, wird schnell klar, dass ein Anbau wohlüberlegt sein will: mit mindestens 1.400 EUR pro m² bis 1.800 m² müssen Sie auf jeden Fall für den Anbau rechnen – in fast allen Fällen werden diese Kosten am Ende sogar noch überschritten.
Auf den ersten Blick erscheint das kaum nachvollziehbar – ein Anbau wäre damit ja sogar oft deutlich teurer, als die gleiche Fläche als Neubau zu errichten. Das stimmt in der Praxis oft tatsächlich – selbst wenn der Anbau nur eine recht einfache Dachkonstruktion hat und weder eine eigene Heizungsanlage noch kommunale Anschlüsse braucht.
Der Grund liegt darin, dass ein freistehender Neubau meist recht leicht zu errichten ist, weil er gut zugänglich ist – beim Anbau wird dagegen fast immer unter sehr beengten Platzverhältnissen gebaut. Das kann die Baukosten enorm verteuern.
Dazu kommt noch, dass beim Anbau auch noch zusätzliche Kosten für den Anschluss ans bestehende Gebäude anfallen – diese Kosten können in der Praxis oft ebenfalls beträchtlich sein. Ein Durchbruch in einer Außenwand bringt ja immer statische Veränderungen mit sich – und erfordert dann entsprechend tragfähige Abstützungen in der Konstruktion.
Bei einem vorhandenen Keller unter dem Hauptgebäude muss dann auch eine sogenannte Abtreppung vorgenommen werden – auch das verursacht zusätzliche Kosten, die man bei einem freistehenden Haus nicht hat. Alle diese Punkte summieren sich dann.
Ein kleines Kostenbeispiel aus der Praxis
Um zwei zusätzliche, ebenerdige Räume bei unserem Einfamilienhaus zu gewinnen, lassen wir an einer Seite einen Anbau in Holzrahmenbauweise in einer Größe von 35 m²
errichten.
Posten | Preis |
---|---|
Baukosten | 51.500 EUR |
Architektenkosten | 7.576 EUR |
Baugenehmigung, Gebäudeaufnahme (Vermessung), Baubegleitung | 1.110 EUR |
Gesamtkosten | 60.186 EUR |
Kosten pro m² | 1.719,10 EUR pro m² |
Hierbei handelt es sich natürlich nur um einzelnes Kostenbeispiel, das lediglich für ein ganz bestimmtes Bauvorhaben gilt. Die Kosten können in anderen Fällen auch deutlich davon abweichen.
Unser Kostenbeispiel macht dabei allerdings bereits deutlich, wie hoch die Kosten auch für einen – vergleichsweise kleinen – Anbau anfallen können. In der Praxis lohnt es sich also, zunächst einmal alle anderen Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, um zusätzliche Fläche zu gewinnen: anzubauen ist immer mit Abstand die teuerste Möglichkeit.
Frage: Von welchen Dingen hängen die Kosten für den Anbau in der Praxis ab?
Kostencheck-Experte: Hier muss natürlich sehr vieles in Betracht gezogen werden – unter anderem natürlich auch ganz besonders die örtlichen Gegebenheiten und die Situation an der Baustelle.
Daneben spielen noch eine Rolle:
- die Größe des Anbaus
- die geplante Form (Grundriss) des Anbaus
- die Art der Wandausführung beim Anbau
- ob Unterkellerung oder nicht
- die Dachgestaltung beim Anbau (das muss nicht immer zwingend ein Flachdach sein, auch eine Einarbeitung ins bestehende Hauptdach ist möglich, aber natürlich dann deutlich teurer)
- die Art des Innenausbaus des Anbaus (Ausstattungsniveau, benötigte Anschlüsse für Küche, Sanitär, etc.)
- Bundesland und Gebiet in dem das Gebäude steht
- die Bodenbeschaffenheit am Grundstück
Gerade die Faktoren, die den Anbau selbst und seine Ausgestaltung betreffen, sollte man in der Planung auf jeden Fall immer im Blick haben – hier kann man unter Umständen die Kosten mit speziellen Wünschen ganz schnell enorm verteuern. Oft gibt es auch deutlich kostengünstigere Lösungen, mit denen man in den meisten Fällen fast ebenso gut leben kann.
Frage: Welche Bedeutung haben das Bundesland und das Gebiet für die Kosten?
Kostencheck-Experte: Nicht nur die Landesbauordnungen sind von Bundesland zu Bundesland verschieden, sondern in beträchtlichem Maße auch die Baukosten. Das kann sich spürbar auswirken.
Dazu kommen noch regionale Unterschiede und Unterschiede zwischen stadtnahen und innerstädtischen Gebieten und eher ländlichen Bereichen. Auch das kann sich auf die Kosten auswirken.
In Ballungsgebieten sind häufig mehrere Unternehmen für ein Gewerk vertreten – hier herrscht dann oft mehr Konkurrenz, was in manchen Fällen auch dafür sorgt, dass sich die Unternehmen gegenseitig mit den Preisen unterbieten. Das muss nicht immer zwingend so der Fall sein, häufig trifft das aber zu. Im ländlichen Bereich ist das dann genau umgekehrt.
Frage: Warum spielt auch die Bodenbeschaffenheit eine Rolle?
Kostencheck-Experte: Egal ob Sie lediglich eine Fundamentplatte gießen lassen wollen oder gleich einen ganzen Keller bauen: um Erdarbeiten kommen Sie nie ganz herum beim Bau.
Dieser Kostenpunkt ist dabei auch häufig eine echte Kostenfalle bei jedem Bau: wenn eine hohe Bodenklasse oder ein nur wenig tragfähiger Boden vorhanden sind, steigen die Kosten für die Erdarbeiten enorm.
Das sieht man allein beim Aushub: Hier können die Kosten 8 EUR pro m³ betragen, aber auch 80 EUR pro m³, wenn die Bodenklasse im höheren Bereich liegt – von einem sogenannten „Sprengboden“ wollen wir hier gar nicht reden. Der Name verrät bereits deutlich, welchen Aufwand man hier bei Erdarbeiten betreiben muss.
Wenn ein Bodenaustausch fällig wird, weil der Boden keine ausreichende Tragfähigkeit aufweist, bezahlen Sie die Erdarbeiten in der Regel mindestens zwei- bis dreimal im Vergleich zu problemlosem Boden.
Die Kosten verteuern sich dann auch noch einmal zusätzlich, weil bei geringer Bodentragfähigkeit der Einsatz schwerer Maschinen und die Zufahrt für LKW zur Baustelle ebenfalls eingeschränkt sein können. Solche Hindernisse spürt man dann meist deutlich in den Baukosten.
Frage: Hat das Ausstattungsniveau beim Anbau tatsächlich so eine große Bedeutung?
Kostencheck-Experte: Nun – immerhin machen die Kosten für den Innenausbau bei jedem Bauwerk etwas weniger als die Hälfte der Gesamtkosten aus – wenn es in jedem Innenausbau-Bereich dann auch nur leichte Verteuerungen gegenüber einer „Standard-Ausführung“ gibt, summiert sich das in der Praxis oft zu einem beträchlichem Gesamtkostenunterschied.
Um das einmal in Zahlen auszudrücken: einen sehr einfachen Innenausbau ohne große Extras können Sie oft schon für 400 EUR pro m² realisieren.
Eine mittlere und etwas gehobenere Ausstattung schlägt dann häufig mit 600 EUR pro m² bis 700 EUR pro m² zu Buche, ab etwa 850 EUR pro m² wird es im Innenraum dann schon deutlich gehobener. Dabei hat man beim Innenausbau dann aber schon mehr als die doppelten Kosten im Vergleich zu einer einfacheren Ausführung – und das in allen Bereichen.
Man könnte so ganz grob also sagen: wenn die Hälfte des Baus plötzlich das Doppelte kostet, wird der gesamte Bau auf einen Schlag um ein Viertel teurer.
Aus diesem Grund sollte man bei der Ausstattung vernünftig und tatsächlich nach eigenen Bedürfnissen und genau nach der geplanten späteren Nutzung planen: es bringt nichts alle Sanitäranschlüsse im Anbau legen zu lassen oder eine Unzahl von elektrischen Leitungen mit einbauen zu lassen, wenn man das später nicht auch wirklich nutzt. Über-Ausstattung kann sehr teuer werden.
Frage: Welche anderen Möglichkeiten hat man noch, anstatt anzubauen? Und was ist dabei kostengünstiger?
Kostencheck-Experte: Nun – man kann sich zunächst einmal einige Alternativen überlegen:
- Dachbodenausbau
- Nutzbarmachung des Kellergeschosses, um zusätzlichen Platz zu gewinnen
- Wintergartenanbau als zusätzlichen Wohnraum (der dann auch eine hohe Qualität hat)
- Umnutzung von Nebengebäuden (beispielsweise einer nicht genutzten Garage)
Bei einem kompletten Dachbodenausbau müssen Sie – je nach Gegebenheiten – 600 EUR pro m² bis 1.000 EUR pro m² rechnen. Dafür erhalten Sie aber deutlich mehr Wohnraum. Oft sind die Gegebenheiten auch günstiger und die Kosten liegen dann deutlich niedriger. Zudem haben Sie bei einem Dachbodenausbau auch mehr Möglichkeiten selbst Hand anzulegen – bei einem „Neubau“ ist das so nur eingeschränkt der Fall.
In Kellerräumen zu wohnen ist natürlich nicht jedermanns Sache – außer vielleicht bei einem Hochkeller, wo das Ganze dann eher so eine Art Souterrain-Wohnung wird. Die Kosten für einen Ausbau der Kellerräume sind in der Regel aber deutlich geringer, wenn der Keller technisch intakt ist – sie liegen ungefähr auf dem Niveau der Innenausbau-Kosten.
Hätten wir statt unserem Anbau im Kostenbeispiel einfach einen durchgehend beheizten Wintergarten errichten lassen, wären wir möglicherweise etwas günstiger gekommen. Für unsere geplante Nutzung wäre ein Wintergarten ohnehin nicht infrage gekommen – in anderen Fällen kann das aber durchaus anders sein. Selbst wenn man annähernd auf die gleichen Kosten kommen würde, wäre ein Wintergarten durchaus eine Alternative.
Nutzungsänderungen von bestehenden Nebengebäuden (etwa eine ungenutzte Doppelgarage) sind nicht immer so kostengünstig, wie man glaubt – vor allem, wenn man hier vieles an den erforderlichen energetischen Standard anpassen muss. In Einzelfällen kann sich das als Alternative zum Anbau aber durchaus lohnen – vor allem gibt es keine Schwierigkeiten bei der Genehmigung, weil die Nebengebäude ja bereits stehen.
Unter günstigen Bedingungen kann eine solche Umnutzung dann auch einen echten Kostenvorteil gegenüber einem neu errichteten Anbau haben.
Nicht berücksichtigt haben wir bisher auch Anbauten, die nicht ebenerdig sind:
- zusätzliche Geschosse auf einem Flachdach
- Staffelgeschosse (um die Gebäudehöhe nicht zu vergrößern, was in einzelnen Fällen nicht erlaubt sein kann)
- überbauen eines Nebengebäudes (etwa einer Garage)
Das kann im Einzelfall auch eine interessante Alternative darstellen.