Der Gedanke an ein Passivhaus lockt mit der Aussicht auf minimale Betriebskosten und hohe Förderungen. Was Passivhäuser tatsächlich kosten können und ob sich diese Kosten auch rechnen, erklärt ausführlich der Kostencheck-Experte im Interview.
Frage: Wie definiert man Passivhaus eigentlich genau?
Kostencheck-Experte: Eine verbindliche Definition für Passivhäuser gibt es eigentlich gar nicht. Die Bezeichnung steht für alle Gebäude, die einen minimalen Heizenergiebedarf (im Allgemeinen deutlich unter 15 kWh/m²/Jahr) haben oder überhaupt keine Heizung benötigen. „Passivhaus“ bedeutet also nicht immer automatisch, dass gar keine Heizung vorhanden wäre – das gilt nur für rund 80 % – 90 % der Passivhäuser, bei denen tatsächlich überhaupt keine Heizung verbaut ist.
Einige weitere Kriterien sind
- absolute Luftdichtheit des Gebäudes
- kein höherer Heizwärmebedarf auch bei ungünstigen klimatischen Bedingungen (etwa sehr kalte Winter)
- kompletter Primärenergiebedarf von weniger als 120 kWh/m² pro Jahr
- automatisch arbeitende, zentrale Belüftungsanlagen (fast immer mit Wärmerückgewinnung)
- U-Werte an der Gebäudehülle von weniger als 0,15 W/m²K (optimaler Wert für ein Passivhaus ist in der Regel 0,10 W/m²K)
- Nutzung der Wärmestrahlung der Sonne um Räume zusätzlich zu erwärmen
Ein Passivhaus muss daneben auch nicht immer zwingend ein bewohntes Gebäude sein – auch Büros oder öffentliche Gebäude können in Passivhaus-Bauweise, das heißt mit dem Fokus auf minimalem Heizenergiebedarf, geplant sein.
Bestehende Gebäude lassen sich unter Umständen auch nachträglich noch zum Passivhaus umbauen – allerdings ist das nicht in jedem Fall möglich und der Umbau ist meist mit hohen Kosten verbunden.
Auch beim Neubau muss man damit leben, dass die Errichtungskosten für ein Passivhaus immer höher liegen als die für ein konventionelles Gebäude. Leider rechnet sich der höhere Kostenaufwand nicht immer.
Frage: Was kostet es, ein Passivhaus zu bauen?
Kostencheck-Experte: Das kann man pauschal natürlich nicht sagen – so wie jedes konventionelle Haus unterschiedliche Kosten beim Bau verursacht können auch Passivhäuser je nach Größe, Ausführung, Bauweise und verwendeter Technik ganz unterschiedliche Preise haben.
Als grobe Richtlinie kann man allerdings sagen, dass ein Passivhaus rund 5 % bis 15 % mehr kostet als ein völlig identisches, konventionelles Haus ohne Passivhausstandard.
Die Mehrkosten entstehen dabei speziell in 4 Bereichen:
- im Bereich der Wärmedämmung die höher wirksam sein muss
- im Bereich der zentralen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung
- im Bereich der Fenster (Dreifachverglasung mit besonders niedrigen U-Werten und möglichst hohem g-Wert)
- im Bereich der Detailarbeiten und Sonderanpassungen
Ein Kostenbeispiel aus der Praxis
Wir bauen ein Doppelhaus in zwei Hälften. Die eine Hälfte des Doppelhauses wird in konventioneller Bauweise als Effizienzhaus 70 realisiert, die andere Hälfte wird zum Passivhaus ausgebaut. Da beide Haushälften ansonsten identisch sind, lassen sich die Kostenunterschiede gut vergleichen. Beide Haushälften haben eine Wohnfläche von 110 m².
Kosten Haushälfte 1 (Effizienzhaus) | Kosten Haushälfte 2 (Passivhaus) | Kostenunterschied |
---|---|---|
160.600 EUR | 200.310 EUR | 39.710 EUR (ca. 25 % teurer) |
Das ist natürlich nur ein einzelnes Kostenbeispiel für ein ganz bestimmtes Doppelhaus mit jeweils individueller Ausstattung. Die Kostenunterschiede können je nach Bauweise in anderen Fällen auch höher oder niedriger ausfallen.
Frage: Welche Faktoren spielen für die Kosten bei einem Passivhaus eine Rolle?
Kostencheck-Experte: Hier muss man einiges in Betracht ziehen:
- die üblichen Kostenfaktoren für den Hausbau: Größe, Geschosszahl, Bauweise, Dachform, etc.
- die Komplexität technische Ausrüstung (zum Beispiel Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und Vorwärmung im Erdkollektor)
- die angepeilten Wärmedurchgangswerte im Wandbereich
- die Wärmedämmfähigkeit der Fenster (zwischen U-Wert 0,6 und U-Wert 0,4 gibt es beträchtliche Kostenunterschiede)
- die U-Werte beim Dach
- der Grad der Nutzung von erneuerbaren Energiequellen für die Primärenergiegewinnung (Solarkollektoren, Photovoltaik)
Es gibt also auch bei Passivhäusern ein „teurer“ und ein „kostengünstiger“ was die Ausstattung betrifft. Auf einen Heizenergiebedarf von weniger als 15 kWh/m²/Jahr kommt man meist auch mit einfacheren Methoden – ab einem gewissen Punkt der „Optimierung“ wird es dann aber meist verhältnismäßig kostenintensiv.
Vieles hängt beim Passivhaus zudem von der Konzeption ab – mit geschickt gewählten, aufeinander abgestimmten Maßnahmen kann man oft auch ohne übermäßigen Kostenaufwand viel erreichen.
In der Praxis sollte man am besten immer diesen Weg wählen, anstatt immer gleich blindlings auf Hightech zu setzen. Damit kann man sich langfristig oft hohe Instandhaltungs- und Wartungskosten einhandeln, die den Vorteil des geringen Heizenergieverbrauchs dann zunichtemachen.
Frage: Inwieweit rechnet sich ein Passivhaus?
Kostencheck-Experte: Hier kann man entweder einen groben Vergleich ziehen – oder die Amortisationsrechnung sehr detailliert durchführen. Beides führt am Ende wahrscheinlich zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Nehmen wir den Kostenunterschied aus unserem Beispiel wieder an. Einen ähnlich hohen Kostenunterschied zwischen Effizienzhaus und Passivhaus hat übrigens auch eine Studie der Arbeitsgemeinschaft zeitgemäßes Bauen (Kiel) ergeben, bei der mehrere hundert Häuser ausgewertet wurden.
Der Unterschied in den Baukosten beträgt in unserem Beispiel 39.710 EUR. Beim Passivhaus wollen wir einen Heizenergieverbrauch von 10 kWh/m² pro Jahr annehmen, beim Effizienzhaus 70 einen Heizenergiebedarf von 45 EUR/m² pro Jahr.
Frage: Das zeigt immerhin einen beträchtlichen Unterschied beim Heizenergiebedarf. Wie wirkt sich das bei den Kosten aus?
Kostencheck-Experte: In unserem Beispiel besteht beim Passivhaus Heizbedarf in der Höhe von 1.100 kWh/Jahr, beim Effizienzhaus von 4.950 kWh/Jahr. Nimmt man hier den Wärmepreis einer Pelletheizung an (5 Cent/kWh) als Vergleichspreis, beträgt der Kostenunterschied bei den Heizkosten allerdings nur 192,50 EUR pro Jahr.
Die Mehrkosten für das Passivhaus in der Höhe von 39.710 EUR würden sich allein über die Heizkosten demnach in 206 Jahren amortisiert haben.
Selbst wenn die Hälfte der Mehrkosten von Förderungen abgedeckt wäre, würde die Amortisationsdauer immer noch 103 Jahre betragen.
Die detaillierte Rechnung würde dann aber noch einen höheren Kostenaufwand für die Wartung und Instandhaltung der Lüftungsanlage und der übrigen Passivhaustechnik ergeben, zudem die sogenannten Lebenszykluskosten für die High-Tech-Anlagen.
Damit wäre der Vorteil bei den Heizkosten bereits mindestens aufgezehrt. In vielen Fällen wäre das Passivhaus im Betrieb am Ende sogar teurer als das Effizienzhaus, wenn man langfristig rechnet.